Einer dieser gottverdammten Tage (Gnoebel)

Es war mal wieder einer dieser gottverdammten Abende, mit denen man von Pizza und zu vielen Zigaretten dominierte Tage abschließt, seinen ganzen Lebensweg in Frage stellt und versucht, die Zeit solange mit einer Flasche billigen Whiskeys zu traktieren, bis man sie schließlich totgeschlagen hat.
Ich beobachtete, wie sich der Rauch meiner Zigarette zwischen den hektisch rotierenden Blättern des Ventilators in Zerstreuung übte und dachte mit vom Alkohol getrübtem Scharfsinn darüber nach, wie ich die nächste Miete für dieses Büro aufbringen sollte, ohne meinen Körper oder meinen Wagen an den Höchstbietenden verscherbeln zu müssen. Die ganze Zeit über schwirrte in meinem Kopf dabei die Frage herum, warum zum Teufel ich mich damals für dieses Leben entschieden hatte. Der Job eines Privatdetektivs hatte natürlich auch eine Menge Vorteile, ein goldenes Türschild mit meinem Namen drauf zum Beispiel, aber in all den Jahren kreativen Nichtstuns und Wartens auf das große Glück war mein anfänglicher Enthusiasmus langsam aber sicher einer lähmenden Desillusionierung gewichen.
Es gibt sie einfach nicht, diese gut gebaute Blondine, die plötzlich in deinem Büro steht, dir einen scheuen Blick aus traurigen Rehaugen schenkt und sich in einer vorher perfekt einstudiert lasziven Geste über deinen Schreibtisch beugt. Sie wird dir auch nicht mit samtweicher Stimme erklären, du bräuchtest nur noch ein Paar Beweise für die Affäre ihres Gatten sammeln, bevor du den Rest deines Lebens mit ihr auf einer einsamen Insel irgendwo in der Nähe von Hawaii verbringen könntest, wo ihr den ganzen Tag damit verbringen würdet, schmutzige Sachen mit ihrer Unterwäsche anzustellen.

Ich war gerade dabei, den Ausschnitt meiner sprichwörtlichen Traumfrau zu inspizieren, als mich ein Klopfen an der Tür aus meinen Tagträumen riß. Da ich eigentlich keine Lust mehr hatte, um diese Uhrzeit und mit diesem Alkoholpegel noch zu arbeiten, war es sicherlich der Wunsch, endlich mal wieder Geld zu verdienen, der mich die Whiskeyflasche vom Schreibtisch räumen, meine Frisur notdürftig richten und der Tür ein klischeehaft grummelndes "Herein" entgegen rufen ließ. Mit dem üblichen Quietschen öffnete sich letztere und zwei Gestalten traten ein. Die Frau hatte tatsächlich Ähnlichkeiten mit jener Lady, die mir das Schicksal all die Jahre immer vorenthalten hatte, und hätte sie nicht einen dümmlich dreinblickenden Mann hinter sich hergezogen, hätte ich mich meinen Träumen sicher einen großen Schritt näher gesehen.
"Wir suchen Jake Benson", sagte die bezaubernde Blondine, während ihr Begleiter sich aus irgendeinem Grund auf allen Vieren niederließ und an meinem Teppichboden zu schnüffeln begann, als wollte er die Senfflecken herausatmen.
"Sitzt vor Ihnen, Lady", antwortete ich, wobei ich nicht nur versuchte, den Whiskeygehalt der Luft vor meinem Gesicht nicht unnötig zu erhöhen, sondern zudem so viel Sex wie möglich in diesen Satz einfließen zu lassen.
"Ich brauche Ihre Hilfe. Mein Name ist Tina Drake und das ist mein Mann Phillip. Er benimmt sich schon seit zwei Tagen so komisch."
"Sie meinen, er hat nicht von Geburt an den Fimmel, sich an anderer Leute Auslegeware zu versuchen?" Rückwirkend vielleicht nicht gerade die einfühlsamste Art, auf die Belange eines potentiellen Klienten einzugehen, aber ich wollte zu Beginn nicht mehr Enthusiasmus versprühen, als unbedingt nötig.
"Nein... nein, ich glaube, im Moment hält er sich für einen Hund. Er hat den Verstand verloren, müssen Sie wissen. Gestern war er noch der Meinung, Elvis Costello zu sein. Manchmal dauert so ein Zustand nur ein paar Minuten, aber manchmal auch länger. Die Ärzte sind ratlos und der Psychiater meines Mannes hat uns nicht geglaubt."
"Und wie passe ich in diese Geschichte, Lady?"
"Ich hatte gehofft, Sie könnten herausfinden, woher diese Krankheit stammt und Ermittlungen anstellen. Das übliche, was ein Privatdetektiv nun einmal so tut... Ich bezahle Sie auch." Ihr letzter Satz war der ausschlaggebende Faktor, aus dem ich zusagte, schon am folgenden Morgen mit den Nachforschungen beginnen zu wollen.

...

Es war mal wieder so ein gottverdammter Morgen, den man damit verbringt, stundenlang in seinem burgunderroten 74er Karmann Ghia Cabriolet zunächst eine billige Tankstelle zu suchen, bevor man von einem kopfschüttelnden Tankwart darüber aufgeklärt wird, daß es so etwas seit der letzten Benzinpreiserhöhung nicht mehr gibt und sich dann vollkommen überteuerten Sprit andrehen läßt.
Während der unaufhörliche Platzregen mich daran erinnerte, daß ich die Scheibenwischer mal nachstellen sollte und zudem meinen Regenschirm zu Hause vergessen hatte, suchte ich mir einen Parkplatz in der Nähe des Anwesens der Drakes und legte die restlichen fünfhundert Meter in einem unbefriedigenden Dauerlauf zurück. Als Misses Drake mir die Tür öffnete, sah ich, daß ihr Mann Phillip gerade dabei war, Sylvester Stallone aus Rocky III zu imitieren und dabei einen unglaublichen Enthusiasmus an den Tag legte.
"Mister Benson. Vielen Dank, daß Sie schon so früh kommen konnten. Treten Sie doch ein", sagte sie, während sie sich mit der sauber manikürten Hand durch ihre lange blonde Mähne fuhr - eine Geste, die entweder Anspannung oder erotische Ausstrahlung vermitteln sollte. Ich beschloß, dieser Unterscheidung keine weitere Beachtung zu schenken und trat ein.
Das Innere ihres Domizils wurde bestimmt durch den edel aussehenden, bei näherer Betrachtung aber seine Herkunft aus dem Baumarkt offenbarenden Teppich, den schweren Möbeln aus dunklem Eichenholz, ein paar imitierten Picassos an den Wänden und dem siebenarmigen Kronleuchter im Eingangsbereich. Letzterer erweckte auf mich den Eindruck, als würde er nur dort hängen, um ein Loch in der Decke zu kaschieren. Hier hatte jemand so wenig Geld wie möglich ausgegeben, um gleichzeitig den Eindruck zu erwecken, viel davon zu haben.
Man führte mich in das Arbeitszimmer Phillip Drakes, wo mir als erstes das große Aquarium auffiel, das eine ganze Wand für sich allein beanspruchte. Es strahlte ein gewisses Maß an Ruhe aus, wie das Wasser sich majestätisch im Rhythmus der Aquarienpumpe bewegte, mehrere Welse mit beharrlicher Dummheit die Fenster sauber lutschten und ein Goldfisch stur seine Runden in diesem Naß schwamm. Vermutlich hätte schon ein kurzer Blick in sein Innerstes offenbart, daß er sich vor Langeweile und Stumpfsinn am liebsten vor einen Hai geschmissen hätte. Auf dem großen eichenvertäfelten Schreibtisch erblickte ich nicht nur ein paar Schriftstücke, diverse Büroartikel und ein benutztes Taschentuch, sondern auch ein Glas Wasser und zwei Tabletten, die sofort meine Aufmerksamkeit auf sich zogen.
"Aspirin", schnurrte Misses Drake mit nun nicht mehr zu überhörender Sinnlichkeit. Mein Interesse den Tabletten gegenüber schwand mit der derselben Aufdringlichkeit, mit der es sich zuvor gemeldet hatte und hinterließ ein Gefühl gähnender Leere. Statt dessen wandte ich mich einem Blatt Papier zu, das zusammengeknüllt und mit angesengter Ecke auf dem Schreibtisch lag, als hätte jemand zu verhindern versucht, daß dieses Schriftstück jemals von anderen gelesen wird, es aber gleichzeitig so auffällig drapiert, daß es gar nicht zu übersehen war. Es handelte sich um eine Gebrauchsanweisung für Sekundenkleber der Marke FixoGlue.
"Mein Mann bastelt gerne", sagte Misses Drake und nahm einen tiefen Zug aus ihrer Zigarette, der offensichtlich nur dazu diente, mir zu zeigen, was sie alles mit ihren Lippen anstellen konnte. "Vor drei Tagen hat er ein neues Modell begonnen, die Spirit of St Louis. Hier, sehen Sie." Auf einem Regal an der Wand stand ein leerer Pappkarton, vor dem diverse Kleinstteile aus billigem Hartplastik lagen, sorgsam mit einer Schere aus ihren Halterungen geschnitten und nach Größe und Farbe sortiert.
"Vor drei Tagen, sagen Sie? Das ist genau der Zeitraum, seit dem Ihr Mann sich so seltsam benimmt, wenn ich mich recht erinnere."
"Ja, das tun Sie." Die Frau nahm einen weiteren Zug aus ihrem Glimmstängel, wobei sie eine Sogkraft aufwandte, die mich zweifeln ließ, ob sie das Ding nur auslutschen oder gleich ganz runterschlucken wollte. Um mich von dem faszinierenden Anblick loszureißen, beschloß ich, dem Psychiater einen kleinen Besuch abzustatten.

...

Es war mal wieder einer dieser gottverdammten Vormittage, die man damit verbringt, seinen burgunderroten 74er Karmann Ghia Cabriolet durch die Stadt zu kutschieren, während man verzweifelt versucht, die hormonellen Trugbilder aus dem Kopf zu bekommen und neben sich seinen Klienten sitzen hat, der sich nicht davon hat abbringen lassen, mitzukommen und zudem der Meinung ist, eine Comicfigur meiner Wahl zu sein.
"Paß auf, Robin! Der Joker!", schrie er mir plötzlich ins Ohr und brachte mich für einen kurzen Moment aus genau der Konzentration, die eigentlich nötig gewesen wäre, den Wagen in der Spur zu halten. Als ich langsam realisierte, daß er wohl mich gemeint haben mußte, beschloß ich, dieser Sache nicht weiter nachzugehen und stattdessen noch ein wenig meinen Träumereien zu widmen, die nur im Entferntesten etwas mit Gymnastikanzügen zu tun hatten.

Das goldene Türschild strahlte eine gewisse Ruhe und Erhabenheit aus, von der ich mich aber nicht blenden ließ. Statt dessen betrat ich, meinen Klienten im Schlepptau, die Praxis von Doktor Feldmann. Der alte Mann saß hinter seinem breiten Eichenschreibtisch, putzte seine Lesebrille mit Eigenspeichel und benetzte mit seiner Zunge die Lippen, während er in einer Zeitschrift über Frauenbrüste versunken schien. Auf dem Tisch stand eine dampfende Tasse, die, so schloß ich mit meinem mir angeborenen Spürsinn, sicher Kaffee enthielt.
"Was machen Sie hier? Ich habe Pause", sagte der Psychiater und schien mir mit jeder Faser seines Körpers mitteilen zu wollen, daß er auf keinen Fall in seiner Studie der weiblichen Anatomie gestört werden wollte. Ich warf einen kurzen Blick auf die stattliche Oberweite einer mir bedauerlicherweise bislang vollkommen unbekannten Brünetten und sagte Phillip Drake, daß er den Versuch zu fliegen bitte aufgeben sollte, weil mir sein Rumgehopse tierisch auf die Nüsse ging.
"Mein Name ist Jake Benson. Ich bin Privatdetektiv und das hier ist mein Klient Phillip Drake... auch wenn er zur Zeit eher an einen Pogostock erinnert."
"Ich erinnere mich... er ist seit einigen Jahren mein Patient, weil er Probleme mit seiner Mutter hatte. Gestern war er mit seiner Frau hier. Sie sagte, er hätte den Verstand verloren." Ich überhörte den süffisanten Unterton in seiner Stimme, warf einen weiteren prüfenden Blick in die Zeitschrift auf dem Schreibtisch, die er zu meinem Bedauern daraufhin schloß und genehmigte mir eine kurze Denkpause, um die Spannung zu erhöhen.
"Ja, das sagte sie mir auch. Darum bin ich jetzt hier", sagte ich, als ich der Meinung war, die Pause wäre lang genug gewesen, um die Anspannung im Körper meines Gegenübers bis zu einem gewissen Grad zu steigern aber nicht zu lang, damit wir in dieser Zeit nicht vergessen, warum ich überhaupt hier war.
"Sehen Sie, Mister..."
"Mein Name ist Benson."
"...Mister Benson, ich habe es gestern schon gesagt und ich sage es nun heute Ihnen. Man verliert nicht von heute auf morgen den Verstand. Entweder, Ihr Klient macht Ihnen etwas vor..." er machte eine kurze Pause, um Drake dabei zu beobachten, wie der Phil Collins zu sein versuchte und mit erschreckend echt wirkendem Pathos in der Stimme You´ll be in my Heart intonierte. "Oder aber, er ist mit irgendwas in Kontakt gekommen, was seinen Verstand zumindest zeitweise benebelt."
"Zum Beispiel?"
"Was weiß ich? Wandfarbe, Alkohol, Kinderüberraschung... alles, was irgendwelche Giftstoffe enthalten könnte."
"Sekundenkleber vielleicht?" Im Gesicht meines Gegenüber ging eine beinahe unmerkliche Veränderung vor, die ich nur deshalb bemerkte, weil mich die jahrelange Erfahrung, die ich als Privatdetektiv im Studieren von Mimiken gesammelt hatte, heute ausnahmsweise mal nicht im Stich ließ. Der Mann wurde ein wenig bleich um die Nase herum, was mir verriet, daß er mehr zu wissen schien, als er zugeben wollte.
"Ja... ja, vielleicht auch das..."

...

Es war eine dieser gottverdammten Autotouren, bei denen man in seinem burgunderroten 74er Karmann Ghia Cabriolet in die Wüste fährt, um eine Fabrik für Klebstoffe und Heftpflaster aufzusuchen und sich nichts sehnlicher wünscht, als daß der Kerl neben einem auf dem Beifahrersitz endlich aufhört, Fips Asmussen zu imitieren.
Die Sonne stand dermaßen hoch am Himmel, daß die Bäume am Straßenrand keinen Schatten warfen, was sicherlich auch zum Teil daran gelegen haben könnte, daß hier keine Vegetation existierte. Auf einmal, ich weiß gar nicht mehr, wann es war, denn meine Uhr gab in diesem Augenblick den Geist auf, blieb mein burgunderroter 74er Karmann Ghia Cabriolet mitten auf der Straße stehen und machte keinen Mucks mehr.
Da sowohl der Tank als auch die Batterie noch genauso voll waren wie ich am Abend zuvor, war es mir ein Rätsel, warum die gottverdammte Karre nicht mehr anspringen wollte. Drake war mir keine große Hilfe. Zwar erzählte er gerade einen verdammt guten Witz über die Sexpraktiken eines impotenten Ostfriesen, aber das war in diesem Moment dennoch das vorletzte, was ich hören wollte. Das letzte wäre vielleicht der Ausruf "Ein UFO" gewesen, aber das Schicksal kannte keine Gnade mit mir und ließ in exakt diesem Moment ein solches vor uns auf der Straße landen.
"Ein UFO!", sagte Drake und bohrte mit dem Finger in der Nase, wobei er etwas zu Tage förderte, was ich nur als bedingt appetitlich einstufen würde. Es entzog sich meiner Kenntnis, was er damit anstellen wollte, denn ich war viel zu sehr damit abgelenkt, das Raumschiff nicht aus den Augen zu verlieren, welches in diesem Moment ein paar grünlich schimmernde Aliens entließ, die mich von der Form her ein wenig an Schnapsflaschen erinnerten, was aber nichts zu bedeuten hatte.
Die Aliens verließen ihr UFO durch eine kleine Klappe an der Unterseite, sahen sich ein wenig um, nahmen eine Gesteinsprobe und spuckten auf meine Windschutzscheibe. Letzteres war scheinbar eine intergalaktische Begrüßungsformel und um nicht unhöflich zu erscheinen, spuckte ich prompt zurück. Eines der Aliens zeigte mir daraufhin einen Vogel, indem er sich mit etwas, was mich verdächtig an einen Mittelfinger erinnerte, an die Stirn tippte und verließ zusammen mit seinen Artgenossen wieder unseren Planeten. Ein paar Sekunden lang versuchte ich mir vorzumachen, ich hätte den Verstand verloren, aber schon ein kurzer Blick auf meinen im Beifahrersitz kauernden Klienten holte mich auf den Boden der Realität zurück.
Mein burgunderroter 74er Karmann Ghia Cabriolet meldete sich mit dem gewohnt sanften Schnurren zurück und nur sieben Alanis Morisette-Songs später, von Phillip Drake mit stimmlicher Gewalt vorgetragen, standen wir halbwegs wohlbehalten vor den Toren FixoGlues. Da ich nicht die geringste Ahnung hatte, was mich da drin erwarten würde, wollte ich zur Sicherheit meine Pistole aus dem Handschuhfach holen, bemerkte, daß ich sie zu Hause vergessen hatte, steckte statt dessen einen dicken Filzstift, zwei alte Socken und eine Sicherheitsnadel ein, letztere in meinen Mund, verließ meinen Wagen und klingelte an der Tür. Die zugegeben recht große Überraschung, als mir Doktor Feldmann die Tür öffnete, wurde noch getoppt, da neben ihm Karl Hudson, der Besitzer von FixoGlue stand, der, und das war in der Tat die größte Überraschung, eine Waffe auf mich richtete.

...

Es war mal wieder einer dieser gottverdammten Abende, an denen man kopfüber und an den Füßen gefesselt über einem Bottich voller Klebstoff hängt und sich dabei in der Gesellschaft seiner Traumfrau und deren Mann befindet, während zwei offensichtliche Psychopathen einen mit Wasserballons bewerfen.
Ich hatte nicht die geringste Ahnung, warum Doktor Feldmann und Hudson so viel Freude daran fanden, Zielübungen auf drei gefesselte Menschen abzuhalten, aber irgendeinen Grund werden sie sicher gehabt haben und sei es auch nur gnadenlose Dummheit gewesen. Tina Drake schrie sich mit ihrer wunderschönen Stimme die Seele aus dem äußerst gut gebauten Leib und Phillip Drake schien sich für ein Bügeleisen zu halten - zumindest sagte er ausnahmsweise mal keinen Ton.
"Sie fragen sich sicher, warum Sie hier sind", begann Hudson, womit er bei mir nicht auf das geringste Interesse stieß, da mir die Frage, wie wir hier wieder wegkommen sollten, im Moment viel wichtiger erschien. "Nun, FixoGlue wird die Welt unterjochen. Wir haben ein Halluzinogen untergemischt, das die Menschen nicht nur verrückt, wie unseren Mister Drake hier, sondern auch abhängig machen soll."
"Also geht es mal wieder nur um die Weltherrschaft", sagte ich nicht etwa aus Interesse, sondern eher, um die Unterhaltung am Laufen zu halten.
"Ja natürlich. Wollen wir das denn nicht alle? Jedenfalls brauchten wir ein Versuchskaninchen und da kam uns Doktor Feldmanns Patient gerade recht. Dummerweise konnte Misses Drake es nicht lassen, einen Detektiv anzuheuern. Darum müssen Sie nun leider sterben. Sie wissen einfach zuviel." Einen Moment lang vergaß ich die drohende Gefahr und dachte, daß ich demnach nicht hätte sterben müssen, wenn der Idiot einfach die Klappe gehalten hätte. Die ganze Sache erinnerte mich ein wenig an diese Art Filme, wo der Held in einer ausweglosen Situation steckt und nur deshalb überlebt, weil der fiese Weltbeherrscher sich siegessicher über seinen Plan ausläßt und dadurch genug Zeit verliert, damit die Polizei ihn im letzten Moment von seinem Vorhaben abbringen kann. Ich hatte immer gedacht, so etwas gab es nur, weil einfallslose Drehbuchautoren sonst nicht wüßten, wie man dem Zuschauer das genial gesponnene Komplott sonst hätte nahebringen können, aber nun merkte ich, daß Bösewichte manchmal tatsächlich so dämlich waren. Hudson betätigte einen Hebel, woraufhin die Drakes und ich langsam aber sicher in den Klebstoff gelassen wurden, und verließ mit Doktor Feldmann den Raum.
Einen Moment lang übte ich mich in betäubender Resignation, doch dann fiel mir die Sicherheitsnadel ein, die ich immer noch im Mund hatte und mit der ich mich vielleicht befreien könnte. Es war gar nicht so leicht, die Nadel in meine Hand fallen zu lassen, damit die Handschellen zu lösen, mich hochzuziehen, das Schloß um meine Füße zu öffnen, mich abzuseilen und schließlich noch meine Klienten zu befreien, ohne angesichts Phillip Drakes nervtötend rezitierten Shakespeare-Monologen den Verstand zu verlieren. Ich tat das Naheliegendste und steckte Drake die Socken aus meinem Mantel in den Mund, damit er unsere Flucht nicht durch ein unachtsam fallen gelassenes "Sein oder Nichtsein" verrät.

In einem kleinen Raum waren Doktor Feldmann und Hudson in genau das Magazin über Frauenbrüste vertieft, das ich schon im Büro des Psychiaters gesehen hatte, wodurch sie uns nicht bemerkten. Ich hatte keine Ahnung, was ich tun sollte, doch dann erinnerte ich mich an den Filzstift, den ich in meiner Manteltasche hatte.
Ich drückte Hudson den Stift in den Rücken und sagte etwas der Art "Hände hoch, das hier ist ne Knarre!" oder so. Meine Hoffnung, er würde auf diesen billigen Trick hereinfallen, den man eigentlich in jedem Yps-Heft nachlesen konnte, wurde erhört und so gelang es den Drakes und mir, die beiden zu fesseln und die Polizei zu rufen.

...

Es war einer dieser gottverdammten Vormittage, an denen man sich eigentlich über einen glücklich abgeschlossenen Fall und den damit verbundenen mit Geldnoten gefütterten Umschlag freuen sollte, es aber aus irgendeinem Grund nicht tun kann, sondern sich stattdessen fragt, warum einen das Schicksal immer wieder mit beharrlicher Gemeinheit auf die Schnauze fallen läßt, was Frauen angeht.
Natürlich hatte man in Hudsons Fabrik nicht nur genügend Beweise für eine umgehende Verhaftung der beiden Größenwahnsinnigen gefunden, sondern auch ein Gegenmittel, mit dem man Phillip Drake hatte heilen können, der nun gemeinsam mit seiner Frau auf eine einsame Karibikinsel ziehen wird, wo die beiden schmutzige Dinge mit ihrer Unterwäsche anstellen werden.
Ich nahm einen Schluck aus meiner Whiskeyflasche, blätterte in dem Magazin, das ich aus der Fabrik hatte mitgehen lassen, studierte die Rundungen einer mir leider immer noch vollkommen unbekannten Brünetten und wartete gelangweilt auf die Dinge, mit denen mich die Welt heute wohl konfrontieren würde.

(Quelle: www.kurzgeschichten.de, 2004)

«« zurück