Come to where the flavor is ...

Zunächst dieser Anfang:
ULLA SCHMIDT.
Ich mach das jetzt wie bei Rei aus der Tube und lasse es erst mal einwirken.
...
...
Können wir dann?
Ich bin ja politisch schon einigermaßen rumgekommen, deshalb hege ich den Verdacht, dass die Kabinettsneubildung 1998 sich entgegen offizieller Lesart folgendermaßen zugetragen hat:
Gerhard ‚Ich will hier rein' Schröder: "So, liebe Genossinnen und Genossen, holt mir jetzt ma´ ne Flasche Bier, dann gibt´s eure schönen Posten, einen nach dem anderen, hahaha. Reise nach Jerusalem! Hans, du stellst die Stühle auf." Ein Knappenchor sang Glück auf, der Steiger kommt, musikalisch begleitet von Björn Engholm an der Triangel. Die ganze designierte Bagage kreiselte sich einen Drehwurm, und als der Chor dem Steiger das Licht abdrehte, schmiss sich alles auf die Stühle, nur die Ulla blieb übrig und wurde Bundesgesundheitsministerin.
Jahre später buckelte ich in meinem Wohnzimmer über dem Tisch und schob mir gerade ein mit Zwiebelringen behäuftes Thunfischschnittchen knapp unter den tränenverschleierten Augen in den Gierschlund, als mir auch schon der Appetit gründlich verdorben wurde. In der Tagesschau ging ein investigativ bis in die Haarpomade motivierter Frageonkel in die Vollen:
"Frau Ministerin Schmidt, warum erhöht die Bundesregierung die Tabaksteuer nun doch nicht, wie ursprünglich geplant, in einem Schritt um einen Euro, sondern in drei Schritten je 33 Cent?"
"Wir wollen das Ausweichverhalten der Raucher vermeiden", sagte daraufhin Ulla Schmidt mit erfrischender Offenheit, dass mir der Tonno vor Staunen nur so aus dem Mund gebröckelt ist.
Würde Arbeitsminister Münte morgen die Aufhebung der Gurtpflicht für Hartz-IV-Empfänger beschließen, na, das gäbe vielleicht ein Hallo. Aber die Ulla, wie frisch aus dem Rhetorikkurs: Ausweichverhalten! Raucher! VERMEIDEN!
Wo kämen wir denn da hin, wenn hier jeder mit dem Rauchen aufhören würde, wie er wollte?
Aber jetzt kommt unser Verbraucherminister Horst Seehofer mit einem bahnbrechenden Vorschlag daher: jeder, der Tabak an Personen unter 18 verkauft, hat stante fumare ein Bußgeld an der Backe.
Ein herber Schlag ins Gesicht unseres gesamtdeutschen Verkaufspersonals! Das hat sich bislang noch allzu oft von aufgemalten Dreitagebärten bei ansonsten auffallend niedriger Leibeshöhe ihrer Kunden täuschen lassen. Nun aber gälte es, dreimal hinzugucken: Kleinwüchsiger mit Bartschatten oder doch eher Dreikäsehoch mit Edding?
Natürlich ist das Verbot für die Katz, so ist das nun einmal:
Ein junger Mensch, der hört: "Verbot!",
Der wandelt´s um in ein Gebot.

Kennen wir doch alle. Tanz der Teufel? Auffem Index? Hol ich mir, das Teil!


Und jetzt zum eigentlichen Anfang:

1. Was mich qualifiziert, meinen Senf dazuzugeben
Jeden Morgen labe ich mich an einem reichhaltigen Frühstück. Nix Mein Joghurt mit der Ecke oder ähnlich gesunder Schmodder, sondern: Blausäure, Benzol, Nitrosamine, Formaldehyd, Kohlenmonoxid, Nikotin und ein paar tausend andere Ingredienzen, die ich mir nicht merken kann. Meine kleine Brotzeit ist hübsch in Zellophan eingepackt und heißt Marlboro 100, und ich komme damit über den ganzen Tag.
Jawoll, ich bin Raucher. Seit 21 Jahren. Jetzt ist es heraus und ich fühle mich gleich viel besser.

2. Aller Anfang ist schwer ... geht aber ratzfatz
"Halt ma da anner Bude", bat ich meinen Freund Marcello, der seinen Käfer auch prompt an die Bordsteinkante manövrierte.
"Was jetzt?", fragte er nach einer Weile neugierig, weil ich wie in den Sitz gegossen hockenblieb.
"Holste mir ´ne Schachtel Zigaretten?"
Er sah mich an, als hätte ich ihn gebeten, bei der ondulierten Matrone in der heruntergekommenen Verkaufsbutze eine Packung Damenbinden zu erstehen. Das kam der Sache verdammt nahe: Zigaretten und Damenbinden hatten für mich bis zu jenem Tag den gleichen Nutzwert, entsprechend scheu war ich beim Kauf derselben.
Aber Kumpel ist Kumpel.
"Wassen für ´ne Marke?"
"Marlboro."
So hat das angefangen. 18 Jahre lang Zigaretten gehasst (schon auf der Wickelkommode habe ich gegen diese stinkende Unsitte krähend geeifert), und dann plötzlich, wie mich ein jäher Weltschmerz ummantelte, zack: "Hol mir ma ´ne Packung Kippen."
Weiter zum Freibad. Auf der Decke habe ich die erste Fluppe meines Lebens geraucht, und wenn schon, dann aber gefälligst auch richtig: ein tiefer Zug, bis mein Thorax sich bedenklich wölbte, und dann hustete ich mir auch schon die defätistische Seele aus dem Leibe. In diesem explosiven Gekröche ging die Lautsprecherstimme des Bademeisters, der die halbstündige Attraktion des Solemare verkündete, vollkommen unter: "Gezz wieder im Wellenbad, gezz wieder dabei sein." Auf der ganzen Wiese schlüpften halbnackte Badefreunde hinter ihren Kühltaschen hervor und stürzten sich kreischend ins wogende Nass, nur um mein bescheidenes Liegefleckchen herum blieben im Radius von zehn Metern die Decken vollbesetzt, weil kein Schwein was gehört hat.
Vom ersten Tag an habe ich es unter einer Schachtel täglich nicht gemacht. Blötschkopp? Blötschkopp! Irgendwann haben die Flimmerhärchen die Waffen gestreckt und ich konnte in der Folge akzentfrei inhalieren. Die elenden Schwindelgefühle habe ich nie so wirklich in den Griff bekommen. Dafür habe ich gelernt, mit der Zigarette im linken Mundwinkel frei zu sprechen - das wird in Filmen als urmännlich gepriesen, sieht aber, wenn man mal ehrlich ist, fürchterlich scheiße aus. Versuchen Sie das mal nachmittags in einer belebten Fußgängerzone mit einem gegrillten Brat-Maxe. Männlich?

3. Vorteile des Rauchens
Wenn es überhaupt einen Vorteil gibt, dann diesen: man hat was zwischen den Fingern, weiß also ‚wohin mit den Händen'.
Aber natürlich gibt es Alternativen, man muss sich nur mal einen Nachmittag die Zeit nehmen und in Was die Omma noch wusste blättern. Drei Beispiele hieraus:

  • Schokoladenzigarette: Derselbe Tragekomfort. Saugbar. Spricht man ein schönes Mädchen auf der Straße an, hat man gleich die passende süße Gabe zur Hand.
  • Lieblingsfüller: Verleiht intellektuellen Habitus. Eingeschränkt saugbar. Spricht man ein schönes Mädchen auf der Straße an, kann man ihr gleich die Telefonnummer aufschreiben.
  • Der Klassiker: Hände in die Hose. Man kann dezent mit den Fingernägeln am Skrotum schubbern. Fördert die Durchblutung und hält den Laden in Schwung, was einem zupass kommen sollte, wenn diese eingebildete, aufgetakelte und etwas hüftlastige Schnepfe auf der Straße endlich mal aus dem Quark käme und die Einladung auf den unverbindlichen Schonkaffee annehmen täte.

4. Das Rauchen und der Körper
Über Krebs, Schlaganfall und appe Beine macht sich der angehende Raucher erst mal keine Gedanken. Das ist für diesen noch zaudernden Zeitgenossen so weit weg wie die Rente, zumal jetzt, wo Otto-Normalbausparer bis 67 schuften muss. Da frage ich mich: wer, bitte schön, soll die Rente unter diesen Rahmenbedingungen denn noch lebend verwirklichen? Und welchen Sinn macht es, bitte schön, dass man angehalten wird, bis weit hinauf ins methusalemische Alter zu arbeiten, wenn die Personalentscheider dieser Republik bei jedem Bewerber über 35 schon erste Anzeichen der Vergreisung diagnostizieren? Man kennt das ja: ab 35+ siecht der Mensch mit unkontrollierbaren Spuckebläschen auf den Lippen über der Tastatur dahin, das Stammhirn vom Alzheimer zerfressen. Und wer macht die ganze Arbeit, wenn der Kollege mit 40 ins Krankenhaus muss, weil die erste Titanhüfte fällig wird? Das kann man keinem Arbeitgeber zumuten.
Aber ich schweife ab. Krebs, Schlaganfall und appe Beine sind ja nur das Omega-Tüpfelchen auf dem Ganzen, schon weit früher lauern andere Beschwerden und Blessuren, über die ich hier aus eigenem Beobachten und eigenem Be- und Empfinden auszugsweise berichten will.

Der Atem: Wer qualmt wie ein Kohlenmeiler im 24-Stunden-Schichtbetrieb, der braucht sich nicht zu beschweren. Kim Basinger (9½ Wochen) soll mal über ihre Zunge-in-den-Mund-steck-Szenen mit Mickey Rourke (9½ Wochen, seit seinem letzten autoaggressiven Wutausbruch auch 9½ Finger) gesagt haben: "Das war wie einen Aschenbecher auslecken."
Früher, als das tradierte Männerbild noch schicklich war, da konnte ein Mann unbekümmert aus dem Rachen miefen; mit einer Geldbörse wie bei Onassis hat er immer eine abgekriegt. Der moderne Mann kommt damit nicht mehr durch - legt er Wert auf weibliche Begleitung, dann sollte seiner Gaumenhöhle ein dezenter Duft nach frühlingsfrischem Weichspülkonzentrat entweichen, veredelt mit einer leichten Minznote (Kettenrauchern empfehle ich Airwaves-Kaugummis; sauscharf, töten aber selbst filterlose Roth-Händle ab).

Gelbe Finger: Beim Raucher stellen sich alsbald wenig ansehnliche Farbveränderungen an den Innenseiten der beiden Finger ein, zwischen denen er die Zigarette üblicherweise einklemmt. Angehende Raucher sollten sich daher die betreffenden Partien probeweise mit ranziger Sanella einkleistern, nur um mal zu gucken.

Die Zähne: Nach ein paar hundert Schachteln Zigaretten sehen die Beißerchen aus, als wäre der Zahnschmelz von Gelbfieber befallen. Wes Wunsch es immer schon gewesen ist, in geselliger Runde mit dem Lächeln eines alten Ackergauls aufzufallen, der ist fit für die Fluppe.

Auswurf: Kennen Sie den Film Der Blob? Als angehender Raucher sollten Sie den aber kennen. Der Blob ist ein schillernder Schleimbatzen aus dem All. So einen Blob werden Sie schon bald allmorgendlich in ihr Waschbecken husten.

Leibesfülle: Rauchen macht schlank. Kann man erst mal nicht meckern. Es ist allerdings eine urbane Legende, dass dies auf einen angeregten Stoffwechsel zurückzuführen ist, der sich plötzlich wie ein Fettverbrennungsreaktor geriert. Die schnöde Wahrheit lautet: täglich mindestens zweimal Stuhlgang, so viel kann einer allein gar nicht essen, wie man da durch den Abfluss jagt.

Kondition: Träumen Sie davon, wie weiland Reinhold Messner den Mount Everest ohne Sauerstoffgerät zu besteigen, leiden aber bedauerlicherweise unter ausgeprägter Höhenangst? Hier bietet das Rauchen eine hervorragende Alternative. Wer sich, wie ich, jemals in den zweiten Stock zu seinem Büro hinaufgeschleppt hat und hochroten Kopfes nach Luft schnappt, der weiß um die atemlose Faszination von Freiheit und Abenteuer, die Messner seinerzeit empfunden haben muss.

Intimleben und Erektion: Das soll jeder für sich in geeigneten Feldversuchen herausfinden. Achten Sie als Mann in jedem Fall auf die Bewegungsfähigkeit ihrer Spermatozoen; ist die erst mal im Eimer, erübrigt sich die Anschaffung von Eimer, Schüppchen und farblich passenden Förmchen für alle Zeiten.

5. Gesellschaft und Soziales
Hartnäckig hält sich die Mär, Raucher seien ein buntes und geselliges Völkchen, dass das Leben in vollen Zügen zu genießen weiß.
Pustekuchen!
Wohin man auch geht, in seiner Eigenschaft als rauchspeiender Langzeitsuizidaler ist man ruckzuck persona non grata. Keine Party mehr ohne Nashorn. Zündet man sich bierselig eine Kippe an, kommt es auch schon angetrabt und will das Feuer löschen. Und schon expandiert die Party auf den zwei Quadratmeter umfassenden Balkon, wo man mit einer Horde Nikotinkollegen und -kolleginnen förmlich zur Geselligkeit genötigt wird. Es ist mitnichten eine Freude, gleich einer zu eng geschnürten Presswurst tumbe Konversation zu betreiben, während sich in der Iris des Gesprächspartners die eigene käsige Visage widerspiegelt und man kunstvoll über dessen Schulter hinweg in den Hinterhof ascht.
Geht es bei finanziell attraktiveren Gastgebern ausnahmsweise mal auf eine weitläufige Terrasse hinaus, hat man auch keine Ruhe. Man kann sich ja schlecht an den übrigen zwanzig Rauchern vorbeimauscheln und neben einen abseitigen Buchsbaum stellen, um da scheel vor sich hinzuqualmen. Die Leute werden, völlig zurecht, ein missfallensbekundendes Tuscheln anstimmen, und man darf sich nicht wundern, wenn man für den Rest des Abends als Schämfrosch oder Sozialdarwinistische Sau durchgeht.

6. Coolness
Dieser Abschnitt sei unserer Jugend anempfohlen, diesem durch und durch verlotterten und den Drogen verfallenen adoleszenten Gemeinwesen. Wir durch und durch vernünftigen und den Drogen abgewandten Erwachsenen wissen nämlich schon lange: Rauchen ist nicht cool!
Dies geht an die Mädchen:
Eine paffende femme fatale, die vor einer Woche zum erstenmal das Geheimnis der weiblichen Menstruation entdeckt hat, ist so sexy wie die kleine Schwester vom Räuchermännchen.
Dies geht an die Jungens:
Ohne Falten und Bartstoppeln bringt euch die Kippe in der Futterluke nichts ein. Wer frodogesichtig und mit clearasilglänzenden Wangen auf dem Spielplatz Mofa fährt, braucht seinen großen Bruder gar nicht erst in den Tabakladen zu schicken.

"Wie war´s denn bei dir mit dem Coolsein, du alter Sack?", höre ich es fuchtig aus stimmbrüchigen Kehlen raunen. Hierzu zwei willkürlich gewählte Episoden aus meiner ereignisreichen Raucherlaufbahn. Entscheidet selbst: maskulin oder einfach nur doof.

Episode 1: 1986 bekam ich meinen ersten Wagen. An einer längst vergessenen Tanke in Moers-Scherpenberg stand er zum Verkauf bereit: schwarzer Golf, breite Schlappen, Heckspoiler. Rattenscharfes Geschoss. Den wollte ich haben. Neben dem Golf parkte ein orangefarbener VW-Käfer. Den habe ich gekriegt. Auf meinem Sparbuch schlummerten nämlich nur 2.800 Mark, und da hieß es dann seitens der Familie belehrend: "Golffahrer sind doch Straßenpack. Alles Spinner und latente Gewalttäter. Außerdem kostet die Karre 3.500 Mark und hat Rost am Türholm. Nimm lieber den Käfer, der ist für Anfänger sowieso viel besser."
"Aber der Käfer kostet doch auch 3.500 Mark", maulte ich, die Augen unverwandt auf den Gewalttäterboliden gerichtet.
"Jahaa", hieß es da, "aber beim Käfer tun wir dir die fehlenden 700 Mark dabei."
Also Käfer. Eines Tages trieb ich meine 50-PS-Südfrucht über die A 40, die linke Hand am Lenkrad, die rechte entschlossen um den Schaltknüppel gewunden, obwohl es bei Tempo 110 rein gar nichts zu schalten gab. Hochschalten ging nicht, dafür mangelte es am fünften Gang. Runterschalten verbot sich, dazu hatte ich das Getriebe viel zu liebgewonnen. Aus dem linken Mundwinkel hing mir, Eastwood-lässig hineingegeben, eine Marlboro 100. Den Rauch blies ich unermüdlich Richtung Windschutzscheibe, auf der Nikontinnasen in ganz großem Stil nach unten schlierten. Dann - ob infolge eines Sekundenschlafes oder einer plötzlichen Schwäche meiner Kiefermuskulatur, weiß ich nicht mehr zu berichten - fiel mir die Kippe aus dem Maul. Sie dotzte noch einmal auf der Fußmatte auf und empfahl sich dann unter den Fahrersitz. Schreckensbleich beugte ich mich nach unten und patschte mit der Rechten nach dem Glimmstengel, bekam aber nur eine Reihe von Brandbeschleunigern zu fassen: lose Zettel, leere Zigarettenschachteln und einen öligen Lappen. Vor meinem geistigen Auge erschien das Bild meines Wagens, wie er sich in einen gleißenden Feuerball verwandelte und mich auf Höhe der Abfahrt Duisburg-Kaiserberg vermittels einer todessternmäßigen Explosion in die Ewigen Jagdgründe katapultierte. Dann fand ich den Flüchtling doch noch. Um ihn zu strafen (und mich wieder auf Puls 300 runterzubringen), hab ich ihn bis zum Filter niedergeraucht.
Während dieser Aktion müssen meine lieben Mitverkehrsteilnehmer, aufgeschreckt durch den Anblick des scheinbar führerlos auf der Mittelspur dahinbrausenden Käfers, wohl gedacht haben: "Du ... da ... DUDU."

Episode 2: Neulich nachts kroch ich wieder einmal pekuniär nur so auf dem Zahnfleisch, oder wie man bei uns sagt: keine Asche in der Tasche. Das war vor allem deshalb betrüblich, weil ich meine letzte Zigarette mit dem finsteren Schwur "Das war´s jetzt aber ein für allemal mit uns, ich lass mich doch nicht länger von euch Scheißkrücken versklaven" vor mehr als drei Stunden weggezischt und die leere Packung in einem Akt der Aggression mit Schmackes gegen die Wand gepfeffert hatte. Aber mach was gegen den Schmacht. Auf der Suche nach leichtfertig verbummelten Barmitteln stülpte ich die Bude einmal klompett um, blickte hinter jedes Türchen, forschte noch in dem verwinkelsten Schublädchen, und selbst in den Kleiderschrank trieb es mich bis tief hinten hinein. Nichts. Keine Hosentasche mit dem erotisierenden Knistern eines Fünf-Euro-Scheins, kein Strumpf, in den versehentlich ein Münzlein geflutscht wäre. Mit dieser Kriegskasse hätte ich nicht mal ein gemischtes Bonbon kaufen können.
Also blieb mir nichts anderes übrig, als meine kiloschwere Geldkassette hervorzukramen und mich über die darin verborgenen Schätze herzumachen. Nun ist es bei mir so, dass ich alle Geldstücke ab 5 Cent aufwärts gnadenlos verprasse und nur die lästigen Erbslein in die Schatulle gebe. So saß ich da um zwei Uhr nachts, auf dem Läufer, die Beine untereinandergeschlagen, und fischte ein 2-Cent-Stück nach dem anderen aus der Kassette, die ich zu Häuflein aus je 10 Münzchen schichtete. "Bitte, lieber Gott, mach, dass es reicht", murmelte ich flehentlich, denn die 2-Cent-Nummer war schon peinlich genug - hätte ich auch noch 1-Cent-Stücke beimischen müssen, ich hätte mein Gesicht verloren.
Schließlich war das mühselige Nachtwerk vollbracht und ich fand mich umgeben von einer liebreizenden Industrielandschaft in Miniatur: 19 Währungsschlote, die sich im Halbkreis um mich herum aus dem Grobschlingenteppich erhoben. 3,80 Euro, verteilt auf 190 Kleinstbetragsmünzen.
Blöderweise nahm der Zigarettenautomat unten an der Ecke keine 2-Cent-Stücke an. Aber wie hätte das auch ausgesehen? Grob geschätzte zwei Stunden lang die Münzlein einwerfen? Nicht zu vergessen dieses in lauschigen Nächten überlaute krrraaaschrrrk, mit dem man die Einwurflasche bei jedem Geldstück tief in die Automatenseele treibt. Ich wohne nicht auf dem Land und wäre wohl - krrraaaschrrrk krrraaaschrrrk krrraaaschrrrk - irgendwo bei Einszwanzig von einem aus dem Tiefschlaf gerissenen Anwohner über den Haufen geschossen worden.
Also drahteselte ich zur nächsten Tanke, einen klimpernden Jutebeutel am Lenker, dessen Gewicht mich zwang, in der Hüfte um 45 Grad zur anderen Seite abzuknicken, weil ich nicht dauernd aufs Pflaster knallen wollte.
Der Verkaufsraum war auch nächtens begehbar. Ich stiefelte hinein.
"´n Abend", warf ich dem dösenden Studenten zu.
"´n Abend", gähnte er und riss den Mund dabei so weit auf, dass seine Augen noch kleiner wurden.
"Eine Marlboro 100, bitte."
"Macht Dreiachzich dann."
"Nehmen Sie auch Kleingeld?", fragte ich vorausschauend.
"Klar", gähnte er.
"Ich hab aber ´ne ganze Menge Kleingeld", gab ich zu bedenken.
"Is´ okay", beschied er matt.
Ich wuchtete den Beutel auf die Verkaufstheke.
"Is´ ja wohl ´n Scherz, ne?", grantelte es mir hellwach entgegen.
"Nö, Kleingeld", sagte ich in klugscheißerischem ‚Ich hab dich doch extra vorher gefragt, Mann'-Ton. "Das sind genau Dreiachzich, hab ich abgezählt."
"Mist", schnaubte er und meinte Arschloch.
Dann fing er an zu zählen. Er tat es derart schneckig, dass ich dachte: "Matheschein im Grundstudium musser noch."
"Genau dreiachzich", knurrte er nach fünf Minuten.
"Meine Rede", strahlte ich, schnappte mir die Zigaretten, riss, kaum dass ich im Sattel saß, die Packung auf und radelte schmauchend heim.

7. Schlussakkord
An dieser Stelle soll es der aufrüttelnden Betrachtungen genug sein. Wer jetzt noch (weiter)rauchen will, der soll es um Morris´ willen tun oder Allen Carr (Endlich Nichtraucher) lesen. Mit Hilfe dieses Buches habe ich vor vier Jahren das Rauchen für einen knappen Monat drangegeben. Dann kamen mein Bruder, ein finsterer Tanzschuppen und reichlich Pils ins Spiel, und schon war es um meinen Ruhm als Vorzeige-Ex-Abhängiger geschehen.
Sollte sich jemand nach der Lektüre dieser Zeilen allerdings befleißigt sehen, dem Rauchen zu entsagen, dann möge er mir die Kopie eines 10-Euro-Scheins zumailen (dave@dave-gore.de). Ich drucke mir die Kohle dann aus und träume von einer Karriere als Zen-Meister der Nikotinentwöhnung.
Auf bald ...

Moers, 28. August 2006

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